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4. 6. 29

Mein lieber Wilhelm! 1

Gestern machte Jetty einen Sprung zu uns, ich hatte einen Schüler bei mir, also erzählte mir LieLiechen später folgendes: Karli wäre bei der Jetty gewesen u. hätte ihr erzählt, du wolltest eigens nach Wien wegen eines Anzugs fahren, du könntest dich aber dazu nicht entschließen usw. Ich beeile mich, dir den Antrag zu machen: die l. Frau Marie mag ein Maß von dir nehmen, es muß ja nicht ganz schneidergerecht sein, u. wir besorgen dir eiligst den Anzug, nur mußt du schreiben, {2} ob es ein Sommeranzug (leicht oder dgl.) sein soll oder ein schwererer? Du ersparst dir einen Weg nach Wien, der bei diesen HitzeGraden nicht erfreulich sein kann, u. uns ist es sehr einfach.

Für dein l. Briefchen u. Beilagen vielen Dank! 2 Denke dir, schon zwei Analysen weisen keinen Zucker (0), keinen Aceton (0) auf: was sagst du dazu? Die zwei Gemüsetage der Woche haben sich sehr bewährt, desgleichen die Verschiebung des Mittagstisches von 12h auf 1h, dazu u. in erster Linie meines LieLiechens unerreichte Kochkunst, sie verdiente den Nobelpreis dafür. – Auch meine Augen sind besser geworden, wie mir Prof. Fuchs Samstag sagte. O! Das war ein Jammer für mich: er befürchtete ein Trübung u. befahl, {3} die Arbeit einzuschränken! Nun ist es besser.

Ich habe Dr. Halberstam schon seit Monate – Gott sei Dank – nicht gesehen, weiß daher nicht, wo mein Blutdruck hält. Von großer Wichtigkeit wird freilich sein, wie sich der l. Mozio zu meiner Kündigung des Kontos in diesen Tagen erhalten wird. Eigentlich habe ich ihm die Kündigung schon vor 2 Jahren mitgeteilt, habe aber darauf wegen seiner Krankheit nicht sogleich bestanden. Nun habe ich ihm Ende 28 ganz bestimmt für 15.6./ u. 15.12/29 mein Konto in zwei Hälften gekündigt, will ich das Geld, leider, leider, nun selbst wegen verringerter Einnahmen brauche. Er aber möchte die Sache gern verzögern, trotzdem ich deutlich mehrmals schrieb, daß ich nicht {4} gestatten werde, daß LieLiechen nach meinem Tode ihr eigenes Geld von ihm oder Liesl oder den Kindern in Portionen wie 50–100 Sch. wie ein Gnadengeschenk bezieht. Nein. Bei der völligen Beziehungslosigkeit seiner Familie zu uns, bei dem Undank für die unentgeltliche Unterricht, kann ich nicht erlauben, daß mein mit Krankheit erkauftes Ersparnis, das wir doch möglicherweise noch für unsere Alterskrankheiten, für die letzten Tagen brauchen werden, in seinem Besitze zurück lassen bleiben , vielleicht auch noch zum Vorteile seiner Wittwe [sic] u. seiner Kinder, die wir kaum kennen, die nie kommen, nie danken. Ich nehme an, daß Mozio klug genug sein wird, mir den Kummer um den Blutdruck zu ersparen, schon aus Dank, wo nicht, müsste ich sofort den [in upper margin of p. 4, upside down:] Anwalt bemühen, wie ich es schon einmal getan, als er der th. Mutter zu wenig schickte, weniger als du u. ich. 3 Bitte [?alles] um das Maß!

[in the upper margin of p. 1, upside down:] Vielleicht besuchen wir dich heuer wieder! Darüber demnächst noch aus Wien.


[left margin, sideways:] Viele Küße u. Grüße dir u. der l. Frau Marie
von mir u. Lieliechen
Dein
[signed:] Heinrich

© Transcription William Drabkin, 2024


June 4, 1929

My dear Wilhelm, 1

Jetty made an excursion to us yesterday. I was with a student, so LieLiechen later told me the following. Karli had been at Jetty’s and had told her that you specifically wanted to drive to Vienna for a suit, but that you couldn’t make up your mind, etc. I hasten to make the proposal to you: Marie might measure you. It doesn’t have to be totally precise for tailoring, and we’ll see to the suit for you as quickly as possible. But you have to write {2} whether it should be a summer suit (lightweight or such) or a heavier one? You will save yourself a trip to Vienna, which in these hot temperatures can’t be enjoyable, and it is very simple.

Many thanks for your kind letter and enclosures! 2 Just think, two tests now show no blood sugar (0), no acetone (0). What do you say to that? The two vegetable days per week have proven themselves, similarly the shifting of lunch from 12 to 1 o’clock, in addition, and primarily, the unmatched culinary art of my LieLiechen. She would merit the Nobel Prize for it. – My eyes, too, have improved, as Professor Fuchs said on Saturday. Oh! That was misery for me: he feared an opacification and ordered {3} a restriction on work! Now, it’s better.

I haven’t seen Dr. Halberstam for months – thank God – but don’t know, therefore, what my blood pressure is. It will be of great importance how Mozio reacts to my recent cancellation of the bank account. Actually, I already notified him about the cancellation two years ago, but because of his illness didn’t insist on it. Now, I notified him of splitting my account into two halves very definitely as of June 15 and December 15, 1929. I need the money now myself, alas and alack, because of reduced income. However, he may well delay the matter despite my clearly writing him several times that I would not {4} allow after my death that LieLiechen receive her own money from him or Liesl or from the children in portions of 50-100 shillings like a gift of grace. No. In light of the complete lack of relationship of his family to us, [and] of the ingratitude for the unremunerated lessons [for Georg], I cannot allow my savings, obtained through sickness, which we may well in our final days, possibly for illnesses in our old age, to remain in his possession, perhaps yet even to the advantage of his widow and his children, whom we barely know, who never come [to visit], never give thanks. I assume that, out of sheer gratitude, Mozio will be smart enough to spare me the distress over blood pressure if I had to immediately engage an [in upper margin of p. 4, upside down:] attorney, as I did once already when he sent our beloved mother too little, less than you and I. 3 Please, [?everything] in proportion!

[in the upper margin of p. 1, upside down:] Perhaps we will visit you again this year! More about that soon, while I’m still in Vienna.


[left margin, sideways:] Abundant kisses and greetings to you and dear Marie
from me and Lieliechen
Your
[signed:] Heinrich

© Translation Lee Rothfarb, 2024


4. 6. 29

Mein lieber Wilhelm! 1

Gestern machte Jetty einen Sprung zu uns, ich hatte einen Schüler bei mir, also erzählte mir LieLiechen später folgendes: Karli wäre bei der Jetty gewesen u. hätte ihr erzählt, du wolltest eigens nach Wien wegen eines Anzugs fahren, du könntest dich aber dazu nicht entschließen usw. Ich beeile mich, dir den Antrag zu machen: die l. Frau Marie mag ein Maß von dir nehmen, es muß ja nicht ganz schneidergerecht sein, u. wir besorgen dir eiligst den Anzug, nur mußt du schreiben, {2} ob es ein Sommeranzug (leicht oder dgl.) sein soll oder ein schwererer? Du ersparst dir einen Weg nach Wien, der bei diesen HitzeGraden nicht erfreulich sein kann, u. uns ist es sehr einfach.

Für dein l. Briefchen u. Beilagen vielen Dank! 2 Denke dir, schon zwei Analysen weisen keinen Zucker (0), keinen Aceton (0) auf: was sagst du dazu? Die zwei Gemüsetage der Woche haben sich sehr bewährt, desgleichen die Verschiebung des Mittagstisches von 12h auf 1h, dazu u. in erster Linie meines LieLiechens unerreichte Kochkunst, sie verdiente den Nobelpreis dafür. – Auch meine Augen sind besser geworden, wie mir Prof. Fuchs Samstag sagte. O! Das war ein Jammer für mich: er befürchtete ein Trübung u. befahl, {3} die Arbeit einzuschränken! Nun ist es besser.

Ich habe Dr. Halberstam schon seit Monate – Gott sei Dank – nicht gesehen, weiß daher nicht, wo mein Blutdruck hält. Von großer Wichtigkeit wird freilich sein, wie sich der l. Mozio zu meiner Kündigung des Kontos in diesen Tagen erhalten wird. Eigentlich habe ich ihm die Kündigung schon vor 2 Jahren mitgeteilt, habe aber darauf wegen seiner Krankheit nicht sogleich bestanden. Nun habe ich ihm Ende 28 ganz bestimmt für 15.6./ u. 15.12/29 mein Konto in zwei Hälften gekündigt, will ich das Geld, leider, leider, nun selbst wegen verringerter Einnahmen brauche. Er aber möchte die Sache gern verzögern, trotzdem ich deutlich mehrmals schrieb, daß ich nicht {4} gestatten werde, daß LieLiechen nach meinem Tode ihr eigenes Geld von ihm oder Liesl oder den Kindern in Portionen wie 50–100 Sch. wie ein Gnadengeschenk bezieht. Nein. Bei der völligen Beziehungslosigkeit seiner Familie zu uns, bei dem Undank für die unentgeltliche Unterricht, kann ich nicht erlauben, daß mein mit Krankheit erkauftes Ersparnis, das wir doch möglicherweise noch für unsere Alterskrankheiten, für die letzten Tagen brauchen werden, in seinem Besitze zurück lassen bleiben , vielleicht auch noch zum Vorteile seiner Wittwe [sic] u. seiner Kinder, die wir kaum kennen, die nie kommen, nie danken. Ich nehme an, daß Mozio klug genug sein wird, mir den Kummer um den Blutdruck zu ersparen, schon aus Dank, wo nicht, müsste ich sofort den [in upper margin of p. 4, upside down:] Anwalt bemühen, wie ich es schon einmal getan, als er der th. Mutter zu wenig schickte, weniger als du u. ich. 3 Bitte [?alles] um das Maß!

[in the upper margin of p. 1, upside down:] Vielleicht besuchen wir dich heuer wieder! Darüber demnächst noch aus Wien.


[left margin, sideways:] Viele Küße u. Grüße dir u. der l. Frau Marie
von mir u. Lieliechen
Dein
[signed:] Heinrich

© Transcription William Drabkin, 2024


June 4, 1929

My dear Wilhelm, 1

Jetty made an excursion to us yesterday. I was with a student, so LieLiechen later told me the following. Karli had been at Jetty’s and had told her that you specifically wanted to drive to Vienna for a suit, but that you couldn’t make up your mind, etc. I hasten to make the proposal to you: Marie might measure you. It doesn’t have to be totally precise for tailoring, and we’ll see to the suit for you as quickly as possible. But you have to write {2} whether it should be a summer suit (lightweight or such) or a heavier one? You will save yourself a trip to Vienna, which in these hot temperatures can’t be enjoyable, and it is very simple.

Many thanks for your kind letter and enclosures! 2 Just think, two tests now show no blood sugar (0), no acetone (0). What do you say to that? The two vegetable days per week have proven themselves, similarly the shifting of lunch from 12 to 1 o’clock, in addition, and primarily, the unmatched culinary art of my LieLiechen. She would merit the Nobel Prize for it. – My eyes, too, have improved, as Professor Fuchs said on Saturday. Oh! That was misery for me: he feared an opacification and ordered {3} a restriction on work! Now, it’s better.

I haven’t seen Dr. Halberstam for months – thank God – but don’t know, therefore, what my blood pressure is. It will be of great importance how Mozio reacts to my recent cancellation of the bank account. Actually, I already notified him about the cancellation two years ago, but because of his illness didn’t insist on it. Now, I notified him of splitting my account into two halves very definitely as of June 15 and December 15, 1929. I need the money now myself, alas and alack, because of reduced income. However, he may well delay the matter despite my clearly writing him several times that I would not {4} allow after my death that LieLiechen receive her own money from him or Liesl or from the children in portions of 50-100 shillings like a gift of grace. No. In light of the complete lack of relationship of his family to us, [and] of the ingratitude for the unremunerated lessons [for Georg], I cannot allow my savings, obtained through sickness, which we may well in our final days, possibly for illnesses in our old age, to remain in his possession, perhaps yet even to the advantage of his widow and his children, whom we barely know, who never come [to visit], never give thanks. I assume that, out of sheer gratitude, Mozio will be smart enough to spare me the distress over blood pressure if I had to immediately engage an [in upper margin of p. 4, upside down:] attorney, as I did once already when he sent our beloved mother too little, less than you and I. 3 Please, [?everything] in proportion!

[in the upper margin of p. 1, upside down:] Perhaps we will visit you again this year! More about that soon, while I’m still in Vienna.


[left margin, sideways:] Abundant kisses and greetings to you and dear Marie
from me and Lieliechen
Your
[signed:] Heinrich

© Translation Lee Rothfarb, 2024

Footnotes

1 Writing of this letter is recorded in Schenker’s diary for June 4, 1929: “An Wilhelm (Br.): biete einen Anzug an; über den guten Befund, 0, u. über die Kündigung des Kontos bei Mozio” (“To Wilhelm (letter): I offer him a suit; concerning my good state of health, 0[% sugar], and about closing my account with Mozio”).

2 Schenker’s diary entry for May 16 records the receipt of a cheerful letter from Wilhelm, with enclosures.

3 See OJ 11/26, [5], Max Gross to Moriz Schenker, January 9, 1914.

Commentary

Format
4p letter (Bogen format), holograph salutation, message, valediction, and signature
Provenance
Wilhelm Schenker (document date-1938?)—Jeanette Schenker (1938?-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Heinrich Schenker; deemed to be in the public domain
License
This document is deemed to be in the public domain as of January 1, 2006. Any claim to intellectual rights should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence[at]mus(dot)cam(dot)ac(dot)uk

Digital version created: 2024-10-01
Last updated: 2010-03-11